Vier Frauen und ein Scharlatan by Eva S. Bernauer
Autor:Eva S. Bernauer [Bernauer, Eva S.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Alibri Verlag
veröffentlicht: 2014-12-21T05:00:00+00:00
11. Kapitel
Der Meister war großartig, und sie waren dabei. Nach jedem seiner Redebeiträge klatschten die Schwestern sich die Finger wund. Wenn sie gerade nicht klatschten, rieben sie inbrünstig ihre roten Kugeln, wie es ihnen aufgetragen war.
Natürlich beobachteten sie, wie der Meister etwas auf einem Blatt Papier notierte, doch sie trauten ihren Augen nicht, als der Assistent mit dem Blatt außerhalb des Kamerawinkels in ihre Richtung steuerte. Er reichte es Brigitte, die zwischen Irmgard und Johanna saß.
„Von dem da“, sagte der junge Mann gleichgültig und wies mit nacktem Finger auf den Meister.
Brigitte entfaltete das Blatt und las: „Nackenschmerzen quälen. Helfende Hände einer Eingeweihten würden wohltun. Nach der Sendung in meiner Garderobe.“
Brigitte blickte vom Blatt auf. Irmgard und Johanna hatten mitgelesen.
„Der Meister wünscht deine Berührung“, hauchte Johanna verzückt.
Irmgard schaute neutral vor sich hin, aber ihre postmenopausalen Finger bearbeiteten die rote Kugel, als wollten sie sie zerdrücken.
Nach dem Schlussapplaus drängten die meisten Zuschauer eilig nach draußen, viele wollten zum Bühneneingang, um eventuell ein Autogramm von Hartmut Lampe zu ergattern. Die Schwestern blieben sitzen und warteten, dass sie wieder abgeholt würden, wie es sich für VIPs geziemte. Schließlich saßen sie als letzte noch auf ihren Plätzen. Ein junger Praktikant kam zu ihnen. Er forderte Irmgard, Johanna und Dietlinde auf, den Saal wie alle anderen Zuschauer über die hinteren Treppen zu verlassen. Zögernd und etwas ernüchtert kamen sie der Anordnung nach.
Brigitte hingegen wurde von dem jungen Mann wieder ins Innere des Gebäudes geleitet. Vor einer weißen Tür, auf deren auswechselbarem Schild der Name „Lampe“ zu lesen war, blieb er stehen.
„Bitteschön“, sagte er und entfernte sich.
Brigitte klopfte schüchtern. Nach einigen Sekunden wurde die Tür von innen geöffnet. Einen Moment blieb Brigitte die Luft weg, denn der Meister war splitternackt. Eilig bemühte sie sich, ihre Überraschung zu verbergen, schließlich war sie Profi. Und Meister war Meister, da gehörte unkonventionelles Verhalten wohl zur Grundausstattung. Mit angestrengter Gleichmut fragte sie nach seinen Symptomen.
Der Meister deutete nur vage auf seinen Rücken. Dann breitete er umstandslos ein großes Handtuch mit dem Logo des Privatsenders auf dem Boden aus und legte sich bäuchlings hin. Brigitte blieb nichts anderes übrig, als sich neben ihn auf die mit zahllosen Zigarettenlöchern verschandelte Auslegeware zu knien. Sie registrierte, dass der Meister nahtlos braun war – vermutlich Sonnenbank. Das erstaunte sie etwas, denn schließlich predigte er das natürliche Leben, wozu ganz gewiss keine künstliche UV-Bestrahlung gehörte.
Als sie seinen Nacken behutsam lockerte, begann der Meister, zufrieden zu brummen. So wahnsinnig verspannt war er gar nicht, das konnte sie an den Muskeln spüren. Umso ungünstiger waren die Arbeitsbedingungen. Nach wenigen Minuten begannen ihre eigenen Gelenke von der kniend vorgebeugten Haltung zu schmerzen. Während es dem Patienten zunehmend besser zu gehen schien, stöhnte sie selbst unwillkürlich auf. Der Meister registrierte es.
„Unbequem?“, fragte er.
„Ein wenig“, antwortete sie.
„Dann belassen wir es doch einfach dabei“, sagte er und drehte sich unvermittelt auf den Rücken. Ein halbsteifer Penis kam zum Vorschein. Schon wieder war Brigitte überrascht. Der nackte Mann war schließlich kein Mann im engeren Sinne, sondern ein Lichtkrieger, der auf einer höheren Daseinsebene existierte.
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